Yves Saint Laurent

Handschrift von Yves Saint Laurent (YSL), © Fondation Pierre Bergé – Yves Saint Laurent, Paris
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Ob beim Kleiderkauf, Logo oder dem gesamten Corporate Design, beim Schenken, beim Messeauftritt, Geschäftsbericht oder Auto: Ästhetik und Kreativität sind alltägliche Phänomene, die oft zusammen auftreten, wobei es dabei durchaus zu einem Konflikt kommen kann. Denn das Primat der Kreativität ist die Originalität, das der Ästhetik die Schönheit.
Yves Saint Laurent hat einmal gesagt: «Les modes passent, le style est éternel. La mode est futile, le style pas.» (Moden vergehen, Stil bleibt). Yves Saint Laurent betont damit die beiden Dimensionen «Stil» und «Mode» des kreativen Schaffens: die der gemeinsamen Tradition, der gestalterischen Regeln und des individuellen Stils als langfristige und konstante Grösse sowie die der aktuellen Mode, des herrschenden Trends und des momentan Zeitgemässen als kurzfristige Grösse der Gestaltung und des Auftretens.
Beide Dimensionen sind gleichwertig: Stil alleine führt zu einer veralteten Anmutung, Mode alleine zu einer oberflächlichen, keines von beiden zum ästhetischen Debakel. Beide Dimensionen müssen ihren Ausdruck in der Gestaltung finden und bilden die Leitplanken für den kreativen Schöpfungsakt. Daraus hervorgehende Schöpfungen und Anwendungen sind zeitgemäss und ansprechend. Durch die Komponente «Stil» werden sie dauerhaft und durch die Komponente «Trend» dem jeweils Zeitgemässen anpassbar: konsistent und flexibel – Coca Cola macht es vor, aber auch Marken wie Hermès, Ricola, The Times und Alfa Romeo.
Stilvoll und zeitgemäss genügt nicht: Der Auftritt einer Person oder einer Marke muss differenziert erfolgen, erfordert also eine Inszenierung nach Maß, eine auf der Identität und dem angestrebten Image basierende Positionierung. Nur so ist gewährleistet, dass nicht nur generell ästhetisch gute, sondern auch individuell zugeschnittene Kreationen entstehen: stilvoll, zeitgemäss und passend.
Ästhetische Grundsätze und Regeln bilden den Rahmen, in dem sich die Kreativität entfalten sollte. Die Kreativität wird dadurch eingeschränkt. Zugleich wird sie aber davon befreit, das Rad ständig von neuem erfinden zu müssen. So kann mehr Energie in die Schöpfung relevanter Lösungen fliessen. Das Ergebnis sind Kreationen von hoher Qualität: «limitations are not just restrictive, but they also are creative», um in den Worten des renommierten ungarisch-amerikanischen Architekten und Designers György Doczi[1] zu sprechen – «the power of limits», die beflügeln.
Rahmenbedingungen und Restriktionen beeinflussen den Kreativitätsprozess seit jeher. Zwischen Ästhetik und Kreativität besteht eine Reibungsfläche, die zu Innovationen und überlegenen Lösungen führen kann. Das Produktdesign beispielsweise hat die gute und funktionale Gestaltung von Massenprodukten, die maschinell produziert werden können, zur Aufgabe. Paradebeispiele sind der Citroën DS, der Eames Lounge Chair, die Coca Cola-Flasche, der Rex-Sparschäler oder die Dyson-Staubsauger: Design-Ikonen als Ergebnis von Restriktionen und Visionen.
[1] György Dóczi ist 1909 in Ungarn geboren und 1995 in den USA gestorben. Er war ein Architekt, Autor und Grafikerdesigner, der in Ungarn, Schweden, dem Iran und den USA arbeitete.